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Moderne Roboter sind oft leistungsfähige Abbilder des Menschen. Doch zuletzt interessierten sich Forscher eher für ferngesteuerte Fische, Spinnen oder Geckos. Sie entstehen aus weichen Materialien, die Muskeln und Gelenke nachahmen.
Roboter können inzwischen erstaunliche Dinge tun. Manche führen Unterhaltungen, helfen im Haushalt oder mähen den Rasen. Der zweibeinige Roboter »Atlas« des Unternehmens Boston Dynamics ähnelt in seinen Bewegungen einem Menschen so sehr, dass man ihn im Dämmerlicht tatsächlich für humanoid halten könnte. Sogar einen sauberen Salto aus dem Stand legt der Metallkasten hin, auch hüpft er präzise wie ein Kaderathlet über einen Hindernisparcour. Boston Dynamics hat aber auch autonome Mehrbeiner gebaut und ihnen das Gehen wie einem Hündchen beigebracht.
Die meisten Roboter eint, dass sie aus soliden Metallteilen, Motoren und Steckern bestehen. Doch der Roboter, den Wissenschaftler um Rui Chen von der Chongqing University in China entwickelt haben, hat auf den ersten Blick gar nichts mit einer kraftstrotzenden Maschine gemeinsam. Das Gerät kann ganz ohne Arme und Beine springen und kommt ohne leistungsfähige Motoren aus. Es wirkt eher so, als hätten sich die Wissenschaftler von der Natur inspirieren lassen und einen Plattfisch nachgeahmt. Der runde Fladen wiegt nur etwas mehr als ein Gramm und ist 6,5 Zentimeter lang, berichtet Chen in der Fachzeitschrift »Nature Communications«. Er verfügt über eine weiche Struktur und ist biegsam wie ein Pfannkuchen.
Der springende Roboter
Softroboter heißen solche Geräte. In der Vergangenheit haben die Techniker bei der Entwicklung solcher Teile auf die unterschiedlichsten Steuerungs- und Antriebskonzepte gesetzt. Manche funktionierten beispielsweise mit Sprungfedern, dielektrisch elastomerischen, magnetischen, pneumatischen, chemischen Aktoren. So heißen die Steuereinheiten, die ein Signal in mechanische Bewegungen umsetzten. Dabei war die Verbesserung der Sprunghöhe und -weite sowie der Sprungfrequenz eine große Herausforderung. Zudem wollten die Forscher ihre Geräte möglichst präzise steuern und navigieren.
Das Team um Chen setzt bei ihrer Entwicklung auf einen sogenannten elektrohydrostatischen Biegeantrieb. Dabei wird die Sprungbewegung durch blitzschnelle, elektrisch angetriebene Flüssigkeitsumverteilung im nur wenige Millimeter flachen Minigerät erzeugt. Es entsteht eine Bewegung ähnlich wie die Kontraktion eines Muskels – die weiche Robo-Scheibe stößt sich vom Boden ab und fliegt in die Luft.
Die eigentlich kreisrunde und mit einer speziellen Flüssigkeit gefüllten Konstruktion ist so aufgebaut, dass mittig ein elektrisches Feld erzeugt wird, das die Flüssigkeit nach außen drückt. Dadurch entsteht ein donutförmiger Beutel. Chens Team arbeitet mit halbkreisförmigen Kammern, die sie in bestimmten Konstellationen anordnen. Durch die Umverteilung der Flüssigkeit wird gesteuertes Springen ermöglicht. Dies könne dem Roboter bei der Bewegung auch in unwegsamen Gelände helfen, schreiben die Forscher.
Der Roboter war in der Lage, das 7,68-fache seiner eigenen Körpergröße zu überspringen. Zudem überwand er eine Entfernung von sechs Körperlängen pro Sekunde, das entspricht rund 39 Zentimetern. Dazu hüpfte der Winzling, der mit einer Kunststofffolie zusammengehalten wird, über Hindernisse wie Würfel, Drähte, Stufen oder über Schotter. Während frühere Aktoren mit dieser Funktionsweise nur in der Lage waren, nach oben zu springen, und die Schwerkraft sie dann wieder auf den Boden brachte, konnten die Forscher um Chen eine gesteuerte Vorwärtsbewegung erzeugen.
Wenn die Forscher zwei ihrer Miniroboter koppelten, konnten sie die Richtung des Sprungs recht gut kontrollieren. Allerdings ist die Entwicklung der Chinesen noch auf externe Energie angewiesen und wird durch kleine Leitungen gespeist.
Aber das Gerät konnte kleine Sensoren transportieren und erfasste so Temperaturunterschiede oder ultraviolettes Licht. Das erlaubt langfristig den Einsatz solcher oder ähnlicher Roboter zur Überwachung von Umweltveränderungen. Die winzigen und leichten Geräte kämen möglicherweise in unwegsamen Gelände besser zurecht als große Roboter und könnten etwa Schadstoffbelastungen in Gebäuden oder Industriebetrieben messen.
Zuletzt bewegten sich Forscher immer weiter von der klassischen Roboterentwicklung weg. Die Konzepte mancher bioinspirierter Maschinen haben nicht mehr viel mit dem Abbild des Menschen zu tun. Während früher Motoren und sperrige Metallbauteile samt Steckverbindungen dominierten, arbeiten manche Forscher nun mit weichen Materialien, die Muskeln oder Haut ersetzt.
Dabei lassen sich Wissenschaftler von allen möglichen Kreaturen inspirieren: Fische, Quallen, Reptilien oder Insekten. Eine Qualle etwa gleitet auf einzigartig elegante Art und Weise durchs Meer. Davon wollen Roboterentwickler lernen, indem sie immer neue und bessere Aktoren entwickeln, die ihre Bewegungen perfektionieren. Auch die chinesischen Robotikspezialisten haben sich möglicherweise in der Natur etwas abgeschaut. Schließlich können auch manch kriechende Insekten hüpfen.
Am Max-Planck-Institut für Intelligente Systeme in Stuttgart und Tübingen haben Wissenschaftler kürzlich eine Roboterspinne gebaut, die das Zehnfache ihrer Körpergröße überspringen konnte. Das Besondere an dem Gerät sind die Gelenke des Knickbeinroboters, die extrem beweglich sind. Dahinter steht ein ähnliches Prinzip wie die Aktoren, die für den chinesischen springenden Pfannkuchen aus China verwendet wurden. Das Gelenk ahmt einen von Spinnen inspirierten exoskelettalen Mechanismus nach, der sowohl aus starren als auch aus weicheren Elementen besteht, die durch den Einsatz hydraulischer Kräfte ähnlich wie die Beinstreckung des Tieres funktionieren.
Manchmal gehen Wissenschaftler auch den umgekehrten Weg. Sie suchen nicht direkt nach einer Inspiration aus der Natur für eine technische Anwendung, sondern wollen zuallererst die Natur mithilfe der Robotik besser verstehen. Das gelang dem Max-Planck-Forscher Ardian Jusufi. Er entdeckte, wie essenziell wichtig der Schwanz für das Landeverhalten von springenden Geckos ist – durch die Hilfe von Softrobotern. »Mit ihnen konnten wir etwas messen, das wir im Regenwald bei den Tieren nicht messen konnten«, sagt Jusufi dem SPIEGEL.
Der Hintergrund: Eine bestimmte Art der Tiere, der Saumschwanz-Hausgecko, der im Urwald von Singapur lebt, übersteht den Aufprall auf Oberflächen unbeschadet, obwohl er mit rund 21 Kilometern pro Stunde von Baum zu Baum springt. Er kann den Sprung perfekt ausbalancieren und fällt nicht vom Ast. Das gelingt dem kleinen, gut zwei Gramm leichten Tier offenbar nur, weil es einen Schwanz hat. Manchmal aber werfen diese Tiere ihren Schwanz bei drohender Gefahr ab. Derlei Exemplare haben einen Nachteil. Sie fielen prompt vom Baum, beobachteten die Forscher.
In Aufnahmen aus Hochgeschwindigkeitskameras erkannten die Forscher, dass die Tiere ihren Schwanz als erweiterte Landefläche des Rumpfs verwenden und den Rumpf um bis zu 100 Grad nach hinten strecken. Das reduziert die Kräfte, die an den Hinterfüßen der Tiere auftreten. Um ihre Hypothese zu testen, entwickelten die Forscher auf der Basis ihrer Beobachtungen ein physikalisches Modell und bauten dazu einen Softroboter-Gecko, dem der Schwanz bei Bedarf abgenommen werden konnte, um beide Flugvarianten im Labor zu testen. Tatsächlich bestätigte sich ihre Vermutungen. Je länger der Geckoschwanz, umso geringer war die Kraft, die auf die Hinterfüße des Roboters wirkte. Und umso leichter konnte sich der Robo-Gecko im Labor an der Wand halten.