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Seit vielen Jahren werden neue Prinzipien gesucht, die den Informationstransport in kompakteren Mikrochips ermöglichen soll. Einen Ansatz hierzu könnte sich durch Spinwellen ergeben. Nun ist es einem Forscherteam gelungen, diese sogenannten Magnonen mit extrem kurzen Wellenlängen nicht nur zu erzeugen, sondern sie gezielt zu lenken, wie die Physiker in der Zeitschrift Nature Nanotechnology schreiben.
Mit der Erhöhung der Speicher- und Prozessordichte werden die zunehmend feineren Leiterbahnen auf Mikrochips zum Problem, wie Dr. Sebastian Wintz vom HZDR-Institut für Ionenstrahlphysik und Materialforschung erläutert: „In den derzeitigen Mikroprozessoren fließen elektrische Ladungen und heizen den Chip auf. Reduziert man dessen Größe noch weiter, versagen die Bauteile einfach, da die Wärme nicht mehr abgeführt werden kann.“ Das verhindert auch eine Geschwindigkeitssteigerung der Prozessoren.
Daher setzt man auf eine bestimmte Eigenschaft der Elektronen: den Spin. Die winzigen Teilchen verhalten sich so, als ob sie sich ständig um sich selbst drehen würden, was ein magnetisches Moment erzeugt. In bestimmten magnetischen Materialien, wie etwa in Eisen oder Nickel, sind die Spins für gewöhnlich parallel zueinander ausgerichtet. Wird nun aber die Orientierung der Spins an einem Ort geändert, setzt sich diese Störung über die benachbarten Teilchen fort, ohne dass sie sich räumlich bewegen. Eine Spinwelle wird ausgelöst, in der sich Informationen codieren und weitergeben lassen.
Wie lässt sich die Welle bändigen?
Zwei grundlegende Herausforderungen erschweren den Einsatz der Spinwellen allerdings bislang: Für Nanometer-kleine Strukturen auf den Chips, und es fehlt an einer Möglichkeit, die nötigen kurzen Wellen gezielt zu steuern. Für beide Probleme konnten die Forscher nun eine Lösung finden. „Anders als bisher nutzen wir für die Anregung der Welle nicht eine künstlich hergestellte Antenne, sondern eine im Material natürlich geformte“, erklärt der Erstautor der Studie, Dr. Volker Sluka. „Dafür haben wir zwei dünne ferromagnetische Plättchen in scheibenähnliche Elemente strukturiert und mit einer Ruthenium-Trennschicht antiferromagnetisch gekoppelt. Daneben haben wir das Material der Plättchen so gewählt, dass sich die Spins bevorzugt entlang einer bestimmten Raumachse ausrichten, wodurch sich die gewünschte magnetische Struktur ergibt."
Innerhalb der beiden Schichten entstehen so Bereiche mit unterschiedlichen Magnetisierungen, die eine sogenannte Domänenwand voneinander trennt. Anschließend setzten die Wissenschaftler die Schichten magnetischen Wechselfeldern mit einer Anregungsfrequenz von einem Gigahertz oder mehr aus. Mit Hilfe eines Röntgen-Mikroskops des Stuttgarter Max-Planck-Instituts für Intelligente Systeme das am BESSY II Speicherring am Helmholtz-Zentrum Berlin betrieben wird, konnten sie beobachten, dass sich Spinwellen mit parallelen Wellenfronten dabei senkrecht zur Domänenwand ausbreiten. Bei den vorherigen Versuchen war die Ausstrahlung mit einer Wasserwelle vergleichbar, die ein Steinwurf auslöst. Das ist nicht optimal, da die Ausbreitung in alle Richtungen die Schwingung schnell abschwächt. Jetzt sehen die Wellen dagegen so aus, um im gleichen Bild zu bleiben, als würde man einen langen Stab im Wasser hin und her bewegen.
„Mit unserem Röntgenmikroskop können wir einzigartige Filme produzieren, wo man sieht wie diese Spinwellen bei Wellenlängen von nur etwa 100 Nanometern mehrere Mikrometer zurücklegen“ erklärt Frau Prof. Schütz. „So können wir auch zeigen, dass sie kaum signifikant an Signal verlieren, was für den Einsatz in moderner Informationstechnologie entscheidend ist“. Einen möglichen Weg, diese neuartigen Informationsträger gezielt zu lenken, haben die Physiker darüber hinaus entdeckt, als sie die Anregungsfrequenz unter ein halbes Gigahertz setzten. Hier bleiben die Spinwellen in der Domänenwand gefangen und können in diesem Fall sogar um die Kurve laufen. Mit ihren Ergebnissen liefern die Forscher somit wichtige Voraussetzungen für die weitere Entwicklung von Schaltkreisen, die auf Spinwellen basieren.
Das könnte langfristig sogar ein komplett anderes Design von Mikroprozessoren ermöglichen, schätzt Sebastian Wintz ein: „Wir können die Domänenwände mit Hilfe von Magnetfeldern relativ einfach verschieben. Das bedeutet, dass Chips, die mit Spinwellen arbeiten, nicht unbedingt eine im Vorhinein festgelegte Architektur bräuchten, sondern später verändert und an neue Herausforderungen angepasst werden könnten.“
Publikation: V. Sluka, T. Schneider, R.A. Gallardo, A. Kákay, M. Weigand, T. Warnatz, R. Mattheis, A.Roldan-Molina, P. Landeros, V. Tiberkevich, A. Slavin, G. Schütz, A. Erbe, A. Deac, J. Lindner, J. Raabe, J. Fassbender, S. Wintz: Emission and propagation of 1D and 2D spin-waves with nanoscale wavelengths in anisotropic spin textures, in Nature Nanotechnology, 2019 (DOI: 10.1038/s41565-019-0383-4)