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Jan-Philipp Günther hat den Agnes-Pockels-Promotionspreis 2021 gewonnen, der jährlich von der Deutschen Bunsen-Gesellschaft für eine herausragende Doktorarbeit auf dem Gebiet der physikalischen Chemie vergeben wird.
Stuttgart/ Frankfurt am Main – Jan-Philipp Günther hat den Agnes-Pockels-Promotionspreis 2021 gewonnen, der jährlich von der Deutschen Bunsen-Gesellschaft für eine herausragende Doktorarbeit auf dem Gebiet der physikalischen Chemie vergeben wird. Der Preis erinnert an die 1862 in Braunschweig geborene Agnes Pockels, welche sich als Autodidaktin im Stillen zu einer erfolgreichen Physikochemikerin entwickelte und an ihrem Lebensende 1935 doch noch die verdiente Anerkennung für ihre bahnbrechenden Arbeiten zur Grenzflächen- und Oberflächenchemie erhalten hat. Ihr wurde daher als erster Frau die Ehrendoktorwürde Dr. Ing. h. c. verliehen. Die Deutsche Bunsen-Gesellschaft würdigt mit dieser Auszeichnung sowohl den langen Kampf von Wissenschaftler*innen um Anerkennung in ihren Disziplinen als auch die wissenschaftliche Leistung des physikalisch-chemischen Nachwuchses. Die Auswahl der Preisträger*innen erfolgt nach einer schriftlichen Bewertungsrunde im Rahmen einer Vortragsveranstaltung auf der Bunsen-Tagung, die im Mai 2021 stattfand. Unter den aktuellen Bedingungen präsentierten die Finalist*innen ihre Arbeiten wie schon im Vorjahr online.
„Der Preis bedeutet mir sehr viel und ich freue mich sehr über die Wertschätzung meiner Arbeit und der Arbeit der vielen Personen, die mich unterstützt haben“, sagt Jan-Philipp Günther, jetzt ehemaliger Doktorand in der Forschungsgruppe Mikro-, Nano- und Molekulare Systeme am Max-Planck-Institut für Intelligente Systeme. An der Universität Stuttgart wurde er promoviert. „Dass der Preis Agnes Pockels gewidmet ist, freut und ehrt mich sehr, da ihre Geschichte so besonders ist. Obwohl ihr als Frau der Zugang zu einer wissenschaftlichen Ausbildung verwehrt war, hat sie als Autodidaktin Durchbrüche in der Oberflächenchemie erzielt und wurde erst spät für ihre äußerst wichtige Arbeit geehrt.“
Jan-Philipp Günthers Vortrag und das Thema seiner Doktorarbeit tragen den Titel „Advanced Diffusion Studies of Active Enzymes and Nanosystems“. Darin geht es um Enzyme – faszinierende biochemische Nanomaschinen. Sie katalysieren viele Reaktionen, die für das Leben unerlässlich sind. Das Studium von Enzymen ist daher im biologischen sowie im medizinischen Kontext sehr wichtig, aber auch in der organischen Synthese findet das katalytische Potenzial von Enzymen Anwendung. Die Forschungsarbeit beschäftigt sich mit der grundsätzlichen Frage, ob die katalytische Reaktion eines Enzyms oder molekularen Katalysators dazu führen kann, dass dieser eine erhöhte Diffusion aufweist. Es wurden Diffusionsmessungen mit weiterentwickelten Messmethoden der Fluoreszenz-Korrelations-Spektroskopie (FCS) und der Diffusions-Kernspinresonanz-Spektroskopie (NMR) durchgeführt. Die Messergebnisse führten zur Aufdeckung von Artefakten bei FCS-Messungen von Enzymen und molekularen NMR-Messungen und stellen damit mehrere neuere Veröffentlichungen ernsthaft in Frage, die behaupten, dass Enzyme und molekulare Katalysatoren aktive Materie sind und eine erhöhte Diffusion aufweisen. Neben diesen grundlegenden Fragen wird in dieser Arbeit auch der Einsatz von Enzymen als Biokatalysatoren untersucht. Es wird ein neuartiges Nanokonstrukt – das Enzym-Phagen-Kolloid (EPC) – vorgestellt, das filamentöse Viren als Bindeglied zwischen Enzymen und Mikropartikeln nutzt. EPCs können für die Biokatalyse mit einfacher magnetischer Rückgewinnung der Enzymen eingesetzt werden und dienen als Antrieb in enzymatische Mikropumpen. Letztere können autonom Blut mithilfe des darin natürlich vorkommenden Harnstoffs pumpen und könnten daher für die medizinische Anwendungen von Interesse sein.
Zur Begründung, warum gerade die Forschungsarbeit von Jan-Philipp Günther die Jury überzeugte, hieß es in einer Preisurkunde: „Die Verleihung erfolgt in Anerkennung seiner grundlegenden Arbeit zum Verständnis enzymatischer Reaktionen als Triebkraft von Diffusionsprozessen und dem erfolgreichen Einsatz der Pulsed-Field-Gradient-NMR zu deren quantitativen Beschreibung“. Die Preisjury würdigt damit die wissenschaftliche Qualität und Originalität der Doktorarbeit, die Jan-Philipp Günther an der Universität Stuttgart und am Max-Planck-Institut für Intelligente Systeme in der Gruppe von Prof. Dr. Peer Fischer durchgeführt hat. Er ist Erstautor der ersten Diffusions-NMR-Messung, die an aktiven Enzymen durchgeführt wurde (Journal of Chemical Physics), sowie drei weiterer Publikationen, welche in seine Doktorarbeit einflossen.