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Die Erfinder des "Jellyfishbot" am Max-Planck-Institut für Intelligente Systeme in Stuttgart gewinnen den Best Paper Award auf einer renommierten Robotikkonferenz und veröffentlichen ihre Arbeit in Nature Communications. Ihre Forschung birgt großes Potenzial, sowohl die Auswirkungen von Umweltveränderungen auf das Ökosystem des Ozeans zu untersuchen als auch bei der Behandlung von Krebs.
Stuttgart - Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Intelligente Systeme (MPI-IS) entwickelten einen Roboter, der wie eine Qualle aussieht und sich auch so bewegt. Das Team nannte ihre Erfindung "Jellyfishbot". Der nicht kabelgebundene Roboter verfügt wie sein natürliches Vorbild über eine schirmförmige Glocke und nachziehende Tentakel. Die Forschung wurde heute unter dem Titel "Multifunctional soft-bodied jellyfish-like swimming" in Nature Communications veröffentlicht. Die beiden Erstautoren der Publikation sind Ziyu Ren, Doktorand in der Abteilung für Physische Intelligenz am MPI-IS, und Dr. Wenqi Hu, Wissenschaftler in der selben Abteilung. Doktorand Xiaoguang Dong war ebenso Teil der Arbeitsgruppe. Dr. Metin Sitti, Direktor am MPI-IS und Leiter der Abteilung für Physische Intelligenz ist Letztautor der Publikation.
Darüber hinaus entwickelte das Team in einer weiteren Studie, basierend auf dem Wissen aus der bio-inspirierten Roboterplattform, ein neues Jellyfishbot-Design für medizinische Anwendungen. Diese Forschungsarbeit wurde erst letzte Woche auf einer der renommiertesten Robotikkonferenzen der Welt, der Robotics: Science and Systems, veröffentlicht und gewann den Best Paper Award. Ziyu Ren und Tianlu Wang, beide Doktoranden in der Abteilung für Physische Intelligenz am MPI-IS ist, teilen sich hier die Erstautorenschaft.
„Zwei Aspekte waren bei unserem Projekt zentral", erklärt Sitti und verweist auf die Forschungsmethoden seiner Abteilung für Physikalische Intelligenz. „Wir lernen von einer Reihe von biologischen Systemen und lassen uns von diesen inspirieren, um winzige, bio-inspirierte Roboter zu entwickeln. Wir verwenden sie, um biologische Systeme zu studieren und besser zu verstehen. Aber noch wichtiger ist, dass solche neu entwickelten Roboter vielleicht eines Tages die kritischen wissenschaftlichen und technologischen Herausforderungen im Gesundheitswesen und in der Umwelt lösen und dazu beitragen könnten, das Wohlergehen unserer Gesellschaft zu verbessern."
Bei der Größe des weichen Roboters haben sich die Forscher von Babyquallen (Scyphomedusa ephyra) inspirieren lassen. Sein Durchmesser beträgt nur etwa fünf Millimeter. In bewegliche weiche Lappen sind Magnetpartikel eingebettet, mit denen die Wissenschaftler den Roboter steuern können, wenn er einem externen oszillierenden Magnetfeld ausgesetzt wird. So können sie beispielsweise den weichen Körper des Roboters so bewegen, dass er in einer schlangenartigen Bewegung genau wie das echte Tier nach oben schwebt.
Figure 1. The jellyfishbot is steered to create an S-shaped chemical path.
Quallen sind eine der häufigsten Arten im Ökosystem des Ozeans. Sie sind ein wichtiger Teil der Nahrungskette. Ihre Verbreitung hängt stark von ihrem Überleben im frühen Lebenszyklus (Ephyralarve) ab. Die Wissenschaftler beobachteten deshalb die Ephyralarven – also die Jungtiere der Quallen – und untersuchten ihr Schwimm und Raubverhalten.
Sie fanden heraus, dass die Qualle eine Paddelbewegung ausführt, um sich selbst voran zu treiben. Schwimmend erzeugt sie aktiv eine fließende Strömung um ihren weichen Körper herum. So fängt sie Beute, indem sie kleine Organismen unter ihrem Schirm zieht und einfängt, während sie sich bewegt.
„Es ist viel einfacher, die Schwimmfähigkeit unseres Roboters aufzuzeichnen und zu messen als die der Qualle", antwortet Ziyu Ren auf die Frage, warum er und sein Team sich die Aufgabe stellten, einen Jellyfishbot zu bauen. „Die Bewegungsdaten sind viel sauberer und wir können Fragen stellen, wie z.B. was mit der Flüssigkeit um sie herum passiert, wenn die Qualle anders schwimmt."
Metin Sitti ist davon überzeugt, dass diese Forschung große Auswirkungen haben wird: „Wir können diesen kleinen Roboter benutzen, um wichtige Umweltfragen zu untersuchen. Die Qualle spielt eine wichtige Rolle im Ökosystem des Ozeans, indem sie es aufwirbelt und einzigartige Strömungen erzeugt - ebenso wie Wind und Gezeiten. Veränderungen in der Umgebung können jedoch zu Veränderungen im Schwimmverhalten der Tiere und damit in ihrer Fähigkeit, das Meereswasser zu durchmischen, führen. Das Verständnis des Zusammenhangs zwischen der Bewegung des Roboters und dem entstehenden Fluidstrom kann uns helfen, mögliche Einflüsse des Klimawandels auf die Durchmischung des Wassers zu bewerten."
Über die Beantwortung von Umweltfragen hinaus hat Jellyfishbot die faszinierende Fähigkeit, zahlreiche Funktionen zu realisieren: „Wenn wir das Schwimmen der Larvenqualle nachahmen, können wir mit diesem millimetergroßen Roboter Objekte einfangen und manipulieren. Dies ist der gleiche Mechanismus, den Quallen auf der Jagd anwenden", sagt Wenqi Hu. Die Wissenschaftler betätigen die magnetischen weichen Laschen durch ein externes oszillierendes Magnetfeld, um verschiedene Bewegungen wie Graben, Mischen, selektives Fangen sowie Transport und Verteilung von Chemikalien auszuführen.
Figure 2. Four functions realized by the jellyfishbot: a) transporting small and large beads; b) burrowing in a pool of fine beads simulating camouflage and search for prey; c) mixing two different colored food dyes; d) generating a chemical path.
Die Funktionalitäten der nicht gebundenen Miniatur-Schwimmroboter könnten auch in medizinischen Anwendungen viele Einsatzmöglichkeiten haben. „Ein mögliches Anwendungsszenario ist, den Roboter durch Ultraschallbildgebung so zu steuern, dass er in die Blase schwimmt und sich dort mit einem Ziel, z.B. Krebsgewebe, verbindet, um das Krebsmedikament dort über lange Zeit in kontrollierten Dosen freizusetzen", so Xiaoguang. Dies könnte enorme Auswirkungen auf die Patienten haben. Es könnte die Beschwerden, die durch herkömmliche Behandlungsverfahren verursacht werden, reduzieren und die Behandlungseffizienz erhöhen.
Figure 3. Cargo transport demonstration of the jellyfishbot: The video snapshots of the robot and the bead are overlaid in the same video image. The red dashed circles indicate the positions of the bead being trapped and transported by the robot over a barrier.
Den vollständigen wissenschaftliche Artikel finden Sie hier:
https://www.nature.com/articles/s41467-019-10549-7