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Stuttgart. Leitende Wissenschaftlern des neu formierten Max-Planck-Instituts für Intelligente Systeme haben zwei der überaus begehrten Förderverträge des Europäischen Research Councils (ERC-Grants) mit einem Gesamtvolumen von knapp 5 Millionen Euro für die Stuttgarter Materialforschung eingeworben.
Professor Joachim Spatz, Direktor der Abteilung „Neue Materialien und Biosysteme“ erhält einen ERC Advanced Grant über 3.5 Mio Euro für das Projekt „Synthetic Biology Approach to Adhesion-Mediated Environmental Sensing“ (Acronym: SynAd) gemeinsam mit Professor Benjamin Geiger vom Weizmann Institute of Science in Israel. Diese interdisziplinäre und internationale Forschungsarbeit vereint Materialwissenschaften, Biophysik, molekulare Zellbiologie und Biochemie. Die Zusammenarbeit beider Wissenschaftler und damit die Grundlage für das heutige Projekt wurde bereits im Jahre 2005 durch eine Förderung der Landesstiftung Baden-Württemberg im Rahmen der Internationale Spitzenforschung Baden-Württemberg gelegt. Joachim Spatz ist zudem Weston Visiting Professor am Weizmann Institute. ERC Advanced Grants (http://erc.europa.eu/) sollen „die beste Forschung“ in den EU-Mitgliedstaaten und in assoziierten Ländern unterstützen – sie gelten als Ritterschlag für Forschungsprojekte in Europa. In hohem Maße wettbewerbsfähig, werden sie ausschließlich anhand des Kriteriums der Exzellenz vergeben - ohne Einschränkung auf den Forschungsbereich. Die Mittel zielen darauf ab, erhebliche Fortschritte an den Grenzen des Wissens zu fördern und sie ermutigen neue produktive Ansätze der Forschung, neue Methoden und Techniken. Das schließt unkonventionelle Ansätze und Untersuchungen an den Schnittstellen zwischen den etablierten Disziplinen mit ein. Ziel ist es, einzelne Teams zu fördern, die durch etablierte, innovative und aktive Spitzenforscher geführt werden, unabhängig von der Nationalität, des Alters oder des aktuellen Ortes. Die ERC Starting Grants fördern junge Wissenschaftler, die das Potential haben, erfolgreiche Forscherpersönlichkeiten zu werden. Auch bei diesen Grants zählen ausschließlich die wissenschaftliche Exzellenz des Antrages und des Antragstellers. Dr. Peer Fischer, Leiter der neuen, unabhängigen Max-Planck-Forschungsgruppe „Mikro-, Nano- und Molekulare Systeme“ am MPI für Intelligente Systeme in Stuttgart erhält einen „ERC-Starting Grant“ über rund 1.48 Mio. Euro für das Forschungsprojekt „Chiral Nanostructured Surfaces and Colloidal Microrobots“ (Acronym: ChiralMicrobots). Die über den Europäischen Forschungsrat eingeworbenen Forschungsmittel werden dazu beitragen, die wissenschaftliche Neuausrichtung des Stuttgarter Instituts hin zu „intelligenten Systemen“ maßgeblich voran zu treiben. Nähere Informationen zu den beiden Forschungsprojekten auf der nächsten Seite.
Joachim Spatz, Direktor am Max-Planck-Institut für Intelligente Systeme in Stuttgart und Professor für Biophysikalische Chemie an der Universität Heidelberg (http://www.is.mpg.de/spatz), ein Materialwissenschaftler und Biophysiker, erhält zu gleichen Teilen mit Benjamin Geiger, Professor am Weizmann Institute of Science (http://www.weizmann.ac.il/mcb/Geiger/index.html), Zellbiologe und Mikroskopie-Entwickler, einen ERC Advanced Grant über insgesamt 3.5 Mio. Euro für ihr ausgezeichnetes Projekt "Synthetic Biology Approach to Adhesion-Mediated Environmental Sensing ". In dem Projekt werden Ansätze molekularer Zellbiologie auf Systemebene mit moderner synthetischer Biologie und Biophysik kombiniert, um die molekulare Basis für den Aufbau und die Funktion der Anhaftungs- und Signalstellen aufzuklären. Beeinflusst werden diese Stellen durch spezifische Adhäsionsrezeptoren, so genannte Integrine. Spatz und Geiger wollen als zentrales Instrument für diese Forschung ein neuartiges, Zell-imitierendes Modell ("synthetische Zelle") mit weitreichenden Eigenschaften und Fähigkeiten entwickeln. Die primären Ziele dieser eng miteinander verbundenen Forschungsaktivitäten sind:
Es ist bekannt, dass Integrin-basierte Haftung an zahlreichen Prozessen in lebenden Zellen beteiligt ist. Über die Anhaftung (Adhäsion) spüren lebende Zellen viele Umweltreize, integrieren diese und entwickeln eine komplexe, multi-parametrische Reaktion. Aufgrund ihrer molekularen Komplexität sind allerdings die spezifischen funktionalen Aufgaben der verschiedenen Komponenten der Haftstelle noch weitgehend unverstanden. Um dieses Problem anzugehen, werden die Wissenschaftler aktuelle Kenntnisse des modularen Charakters der fokalen Adhäsion und verwandte Integrin-vermittelte, extrazelluläre Matrixkontakte nutzen, um Modelle einer "synthetische Zelle" zu entwickeln. Diese bestehen aus großen Lipid-Vesikeln, funktionalisiert durch transmembrane Integrine, verschiedene Integrin-bindende Proteine und bestimmte Gruppen von Gerüst- und Signalproteinen an den Haftstellen. Das einzelne Beladen der Vesikel mit diesen Proteinen durch Mikroinjektion ermöglicht eine strenge Kontrolle der Zusammensetzung und Komplexität des Systems. Auch können die Wis-senschaftler so die Wirkung von natürlichen oder künstlichen Oberflächen mit verschiedenen kompositorischen und ökologischen Variationen auf die Haftung und Signal-Funktionen untersuchen (ausgedrückt durch die Bildung von sichtbaren Multi-Protein-Komplexen als auch durch örtliche Aktivierung von Enzym-Signal-Kaskaden). Die Datensätze dieser Experimente werden eine solide Basis für das Reverse-Engineering von lebenden Zellen bieten, in denen spezifische funktionale Wege gezielt beobachtet und / oder verändert werden können, um spezifisch die zelluläre Umgebung zu modulieren, was die Funktionalität lebender Zellen beeinflusst. Wissenschaftlicher Kontakt: Prof. Joachim P. Spatz, Tel. 0711 689-3610; www.is.mpg.de/de/spatz
Sowohl in wissenschaftlichen Publikationen als auch in den populären Medien hat es zahlreiche Spekulationen über ferngesteuerte Mikroroboter (sog. „Microbots“) gegeben, die im menschlichen Körper navigieren können. Microbots haben das Potenzial, die medizinische Analytik, gezielte Verabreichung von Medikamenten und die Mikrochirurgie zu revolutionieren. Aber bis jetzt gibt es kein ungebundenes mikroskopisches System, das richtig gesteuert geschweige denn in flüssiger Umgebungen kontrolliert werden könnte. Peer Fischer und sein Team wird mit einer physikalischen Aufdampfmethode Milliarden von mikrometergroßen, kolloidalen Schrauben-Propeller auf einem Wafer wachsen lassen. Diese asymmetrischen (chiralen) Schrauben können magnetisiert und per Computer-gesteuerte Magnetfelder durch Lösung bewegt werden. Die Schrauben-Propeller ähneln künstlichen Bakterien Flagellen und sind bisher die einzigen Microbots, die in Lösung auf der Mikron-Längenskala präzise gesteuert werden können. Die Forschungsergebnisse werden sowohl die Herstellung als auch spezifische Anwendungen vorantreiben. Der skizzierte technische Fortschritt hinsichtlich des Wachstums von nanostrukturierten Oberflächen wird eine 3D-Nanostrukturierung im Wafer-Maßstab für photonische und plasmonische Anwendungen erlauben. Zugleich werden die Forscher Mikropartikel mit maßgeschneiderten Formen und Eigenschaften herstellen, die sich bislang weder mit Nasschemie noch mit Reinraumtechniken realisieren lassen. Die Wissenschaftler planen Experimente zur Beobachtung grundlegender Effekte, wie neue rheologische Phänomene bei der Brown´schen Bewegung, oder optische Effekte mit chiralen Metamaterialen, die bisher noch nicht beobachtet wurden. Weiterhin wird die Forschungsgruppe diese neuartigen, bio-mikrorheologischen Sonden nutzen, um die visko-elastischen Eigenschaften von Membranen und Geweben zu untersuchen. Letztendlich soll ein System entwickelt werden zur gezielten biomedizinischen Anwendung, zur Erforschung der Interaktion von Microbots-Schwärmen und zur Entwicklung von Techniken zur Kontrolle und Abbildung dieser Schwärme. Wissenschaftlicher Kontakt: Dr. Peer Fischer, 0711 689-3560; http://is.mpg.de/80115/03_Peer_Fischer
Intelligente Systeme sind in der Lage, in einer komplexen, sich teilweise verändernden Umgebung erfolgreich zu agieren. Im materialwissenschaftlich ausgerichteten Stuttgarter Standort des Instituts werden sogenannten Lernende Materialsysteme, Mikro- und Nanorobotik sowie Selbstorganisation erforscht. Der Schwerpunkt des Tübinger Standorts liegt auf Maschinellem Lernen, Maschinellem Sehen und Autonomer Motorik.
Neue Homepage im Aufbau: www.is.mpg.de